(nach Pete Seeger)
Sag mir, wo die Vögel sind,
wo sind sie geblieben
Früher war Hundekot ein von Mückenscharen umschwärmtes Festessen. Ihr kennt doch auch noch diese dicken, grün/blau schillernden Fliegen, die sich darüber hermachten. Die heißen „Schmeißfliegen“, nicht Scheißfliegen (obwohl althochdeutsch „schmeißen“ beschmieren, besudeln bedeutet; in Wikipedia kann man lesen, der Name beschreibe die Vorliebe für geruchsintensive organische Stoffe). Sehr appetitlich, wenn sie dann hinterher mein Essen umschwärmen.
Dieser Tage gingen Meldungen über den dramatischen Vogelschwund in Deutschland durch die Presse. Europaweit sind in den letzten 30 Jahren 300 Millionen Brutpaare verschwunden, das sind ca. 60%. Bei manchen Vogelarten beträgt der Schwund über 80% (z. B. Kiebitze, Rebhühner). Und das seit 1987. Nimmt man als Basis die vierziger/fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, dann ist das noch weitaus dramatischer.
Als Hauptursache gilt, neben dem Schwund der Lebensräume, der Einsatz von Insektiziden in der intensiven Landwirtschaft, die den Vögeln ob der Vernichtung der Insekten die wichtigste Nahrungsgrundlage nimmt. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge beträgt der Schwund an »Biomasse« siebzig bis achtzig Prozent. Opfer des Smogs – »Chemiesmog« sozusagen. Der Sender »radiobremen« berichtete am 7. Mai darüber. Schaut euch das Video an.
Wenn dann noch, wie im letzten Jahr, der Frühling kalt und regnerisch ist, dann nimmt die Population nochmaligen Schaden, weil ein ganzer Geburtsjahrgang nahezu ausfällt. Als wir 2016 im Herbst von Fanø zurückkamen, schienen die Vögel fast ausgestorben, Guddes Futterhaus hatte nur seltene Gäste. Unheimlich war das.
Bei der diesjährigen Fahrt nach Dänemark musste ich – wie schon letztes Jahr auch – kein einziges Mal die Frontscheibe säubern. Früher war es bei jedem Tankstopp eine dringend notwendige Beschäftigung, die zahllosen Insektenleichen zu beseitigen. Die Chemie dazu, Insektenlöser oder so, und ein Insektenschwamm gehörten zur Standardausrüstung. In dem obigen Bericht könnt ihr hören, dass die Schmeißfliegen/Insekten die leckere Hinterlassenschaft der Hunde meiden, weil diese ob Zeckengift und Co. zum tödlichen Chemiecocktail geworden ist.
Kurz nach 1950 habe ich als Steppke Vogelmord begangen. Im Auftrag meiner Eltern. Denn es gab wahre Heerscharen von Spatzen, die das Dach bevölkerten, unter den Ziegeln nisteten; immer war was los im Gebälk, auch nächtens. Ich bekam ein Druckluftgewehr und schoss mit Bleikügelchen (Diabolo hießen die Dinger, Flachkopf-Diabolo mit 4,5 mm Durchmesser) auf Spatzen. Andere Vögel waren natürlich tabu. Für jede Spatzenleiche gab’s eine Belohnung. Muss ich mich heute dafür schämen, wie eifrig und begeistert wir Jugendliche bei der Sache waren?
Ach ja; zu jenen Zeiten gab es ganze Schwärme von Schwalben. Wenn sie tief flogen, war es an der Zeit, nachhause zu gehen, denn es würde bald regnen. Zur jetzigen Zeit hab‘ ich zuhause schon lange keine Schwalbe mehr gesehen.
Vogelmörder war ich. Und wenn wir so weitermachen mit …, dann werden wir alle das. Und Opfer des »Chemiesmogs« werden nicht nur die Insekten und die Vögel sein.
Umso mehr müssen wir dankbar sein, dass es Menschen gibt, die dagegen anzugehen bemüht sind. In Dänemark mehr als bei uns. Diese sollten unserer Unterstützung gewiss sein. Womit wir wieder bei den Havfaldspose wären.
Sag mir, wo die Vögel sind
... wann wird man je verstehen,
wann wird man ja verstehen?
(nach Pete Seeger: Where Have All the Flowers Gone)
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