Freitag, 15. Dezember 2017

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Dansk Jul (3)

oder
Schweine in der Weihnachtszeit

„Weihnachten/Weihnachtsbräuche in Dänemark“ ist ein im Internet sehr häufig behandeltes Thema, jede Menge Texte, Artikel und Bücher sind hierzu geschrieben worden. Unter anderem ist gar bei t-online etwas darüber zu finden.
Jedoch kann ich der dortigen einleitenden Bemerkung
»In Dänemark wird Weihnachten weitestgehend so gefeiert, wie wir es auch bei uns kennen: Überall, wo man hinsieht, stehen festlich geschmückte Weihnachtsbäume. Derweil sorgen große Lichterketten, weihnachtliche Musik sowie auch der allseits bekannte Adventskranz für die perfekte Feiertagsstimmung.«
keinesfalls zustimmen.
Von unserem Weihnachtsfest haben Umsatz und Konsum Besitz ergriffen – ein Milliardengeschäft. Schon viele Wochen zuvor wird Weihnachtliches in den Konsumtempeln präsentiert, mit Orgien von Lichtern wollen sie sich gegenseitig übertreffen, und die aufgestellten Weihnachtsbäume ächzen unter der Last des Schmucks, so dass der Baum selbst fast nicht mehr zu sehen ist. Macht nichts, vielfach ist er ja schon aus Plastik. Wir sind zu Konsumenten dessen geworden, was andere uns vorgeben.
Als ich diesen Text schrieb, lief im Fernsehen ein Kurzbericht über die weihnachtliche Dekoration in einer Mall (früher hieß das „Einkaufszentrum“) in einer deutschen Großstadt (Platz 18 im Ranking der Großstädte Deutschlands): 120 Tonnen Weihnachtsschmuck würden verbaut, die Lichtspirale von der Decke des Treppenaufgangs koste 100.000 €. Wow!

Ich, 1944 geboren, gehöre zur Nachkriegsgeneration. In dieser kargen Zeit war Weihnachten noch ganz anders. Ein Fest der Besinnung und des Miteinanders in der Familie. Geschenke waren bescheiden, aber doch mit großer Freude verknüpft, und der Baum war eher dürftig geschmückt und natürlich mit richtigen, brennenden Kerzen bestückt.
Und ich bin sicher, dass Weihnachten in Dänemark in nahezu all seinen Facetten, Bräuchen und Traditionen diesen frühen Zeiten noch sehr viel mehr nahekommt als dem heutigen „Weihnachten“ bei uns in Deutschland. Die festliche Zeit zwischen den Jahren ist hyggelig, und ich hoffe inständig, dass das dänische Julehygge nicht wie bei uns von Glitzer und Glamour und umsatzträchtigem Gewinnstreben überfahren wird.
Die Dänen sind – zum Glück – ein doch recht eigenwilliges und traditionsbewusstes Völkchen, sie werden dem Tsunami besser widerstehen als wir, obwohl die Einflüsse aus allen Himmelsrichtungen (aus dem Süden von Deutschland [Christkind, Adventskranz, Nikolaus, …], dem Norden von Schweden [Schwein, Luciadagen, Julbock, …], dem Westen aus den USA [Santa Claus, …] etc.) schon zu bemerken waren/sind.
Viele der Bräuche jedoch sind uralt, teilweise heidnischen Ursprungs. Sie werden sich hoffentlich halten, ebenso wie das auf Familie und Mitmenschen fokussierte freudvolle Gestalten des Weinachtsfestes, hyggelig eben.

Für die religiösen Komponenten muss man wissen, dass das Christentum spät nach Dänemark kam. Heute gehören 76% der Dänen der evangelisch-lutherischen Dänischen Volkskirche (Folkekirken) an, und Staat und Kirche sind sehr eng miteinander verwoben (es gibt in der Regierung z. B. einen „Kirchenminister“), Parlament und Regierung sind gemeinsam mit der Königin (die evangelisch-lutherischen Glaubens sein muss) Oberhaupt der Volkskirche. Katholiken gibt’s nur 0,6%, Muslime 3%, größtenteils aus Einwanderungen stammend.

In der Fanø-Fangruppe wurde gefragt, was es mit den Schweinchen zu Weihnachten auf sich habe, die überall und in allen Formen anzutreffen seien. Diese Frage hat dazu geführt, mich tagelang mit schweinischen Dingen zu beschäftigen.
Vorweg: Das Schwein ist seit geraumer Zeit in Schweden zum Kult geworden. Im Stockholmer Postmuseum gibt es in der „Weihnachts-Schweineausstellung“ unzählige dieser rosafarbenen Gesellen zu sehen, auf Postkarten, Bildern (z. B. als Zugtier, Reittier, Spielkamerad, Bettgenosse), aus Ton, Holz, Stroh, …, Marzipan, … gefertigt.
Sicherlich hat sich dieser Hype auch nach Dänemark ausgeweitet, ebenso wie das Glücksschwein aus Deutschland (dort aber eher dem Neuen Jahr zugeordnet).

Zum Verständnis ist ein Blick in die Geschichte des Schweins und seine Rolle im Leben der Menschen notwendig.
Der erste Gedanke zu Schweinen ist, sie seien dreckig und eklig. So zu lesen in einem Text über „Die intelligentesten Tiere der Welt“. Wenn man jedoch Schweinen genug Platz gebe, seien sie extrem saubere Tiere. Und sie sind tatsächlich sehr intelligent, womöglich intelligenter als Hunde, oder reichen gar an die Intelligenz von Primaten heran. Im Zirkus gibt es Schweinenummern, sie lassen sich also trainieren und lernen voneinander.
Wenn Menschen mit ihren Hunden spazieren gehen, denkt sich niemand etwas dabei. Aber wenn mein Nachbar schräg gegenüber mit seinem Hausschwein, das sogar teilweise in der Wohnung lebt, an der Leine Gassi geht, dann schütteln alle den Kopf und denken und tuscheln: „Der hat einen an der Waffel, aber wie!“.

In unserer Umgangssprache sind beide Sichtweisen reichhaltig manifestiert. „Der hat Schwein gehabt!“ versus „Du bist ein Schwein!“ sind Beispiele für die gegenteiligen Redewendungen, die Glück und Unflat ausdrücken, auch wird die Vorsilbe „schwein“ als Bekräftigung des Negativen verwendet, z. B. in „schweinekalt“ oder „Schweinefraß“.
Und natürlich gibt es das positiv konnotierte Sparschwein.
Im Wikipediaartikel über „Schwein haben“ werden mehrere mögliche etymologische Theorien zur Herkunft genannt.

Die Schweine des 18. und auch 19. Jahrhunderts waren kleinere Rassen, ganz anders als die heutigen voluminösen Züchtungen. Sie wurden seit dem Mittelalter vielfach als Haustiere gehalten, hatten einen festen Platz (wie heute der Hundekorb), auch auf dem Sofa oder gar im Bett, sie waren reinlich, wachsam und aggressiv gegen „Eindringlinge“. Sie waren sozusagen der „Bodyguard“ im Haus und im engeren Umfeld des Anwesens. Hunde hingegen wurden vielfach nur draußen gehalten, hatten einen geringeren sozialen Rang.
Abergläubisch wurde den Schweinen zudem noch die Eigenschaft zugeschrieben, Krankheiten der Familie auf sich zu nehmen. So à la „The Green Mile“, dem wunderbaren schrecklichen Film von 1999; wer ihn gesehen hat, weiß was ich meine. Bereits in der Bibel wird berichtet, dass Jesus die bösen Geister aus einem Besessenen in eine Herde Schweine fahren ließ (Markus 5, 1 – 20). Schweine waren also Heils- und Glücksbringer.
Sie wurden auch als sogenanntes „Bauopfer“ unter einem neu errichteten Haus vergraben, um dessen Bestand zu sichern. Über die Jahrhunderte hinweg sind Schweine dann mehr und mehr in eine andere Rolle geraten, schlussendlich als wesentlicher Bestandteil der Ernährung.

»Die Dänen und ihr Schwein, das ist eine besondere Liebesbeziehung.« ist in einem Bericht von n-tv (vom 20. Januar 2016) zu lesen, in dem über den „Frikadellenkrieg“ berichtet wurde, und dass dieses saftige Fleisch zur Rettung der dänischen Esskultur auf dem Speiseplan von Kitas und Schulen stehen müsse.
Eine Kita hatte das Schweinefleisch mit Rücksicht auf die vielen muslimischen Kinder in der Einrichtung vom Speiseplan gestrichen. Politiker fanden das inakzeptabel, dänische Esskultur zu verbieten.
Die Dänen verputzen pro Kopf und Jahr 51 kg Schweinefleisch, die Schweden übrigens nur 31 kg. Noch am Rande sei erwähnt, dass in Dänemark pro Jahr über 20 Millionen Schweine geschlachtet werden, das ist mehr als das Sechsfache des Eigenbedarfs. Schweinezucht ist also ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Doch nun zurück zu den Weihnachtsbräuchen.

Aus einem Bastelbogen
für Baumschmuck
Auf den ersten Weihnachtspostkarten „Glædelig Jul“ vor mehr als einem Jahrhundert waren auch Schweine abgebildet, aber nicht nur als „Gefährte“, sondern als Bestandteil des Festessens.
Denn in diesen frühen Jahren stand „Schwein“ in der Hauptsache auf dem dänischen Speiseplan beim Weihnachtsessen. Inzwischen sind Ente, Gans oder Pute, gefüllt natürlich, eingekehrt. Ein Kenner berichtet, es gebe dazu Weißkohl (oder Rotkohl) und kandierte Kartoffeln (Letztere haben wir leider noch nie genossen, klingt ungemein lecker).

Ich hoffe, einige Aspekte der „Schweineliebe“ der Dänen erhellt zu haben. Natürlich sind die vielen Schweine nicht nur hausgemacht, sondern werden auch „importiert“ von jenen, die damit ein bisschen (oder mehr) Kasse machen wollen.

In einem schönen Blog, den ich später noch vorstellen werde, heißt es „Es ist schließlich nicht alle Tage Weihnachten – in Dänemark aber immerhin den ganzen Advent“.
Ein bisschen verrückt sind sie schon, diese Dänen, aber „cool“ und hyggelig!

Montag, 4. Dezember 2017

Dansk Jul (2)

... oder 50 Wörter

..., die etwas mit dänischer Weihnacht zu tun haben.
Wer mit all diesen Begriffen etwas anzufangen weiß, der kennt sich schon gut aus!


In den nächsten Folgen von „Dansk Jul“ gibt es Erläuterungen dazu.

Nachtrag:
Bei uns brennt natürlich eine „Kalenderlys“
(erstanden in Kaiserslautern!).

Tja, Kaiserslautern oder K-town (so sagen die Amerikaner) ist eben eine Weltstadt.
„K-town“ wird in amerikanischem Englisch gesprochen (Lautschrift: keɪ-taʊn).